Irgendwie habe ich mich bei der Planung der heutigen Etappe ein wenig in der Zeit verschätzt. Eigentlich wollte ich praktisch nur kleinere Straße fahren, aber bei rund 670 km Strecke hätte sich das bis in die frühen Abendstunden gedehnt. Daher beschließen wir, die Autovias zu benutzen. Das sind ähnlich wie eine Autobahn ausgebaute Fernstraßen mit meistens eben zwei Spuren pro Richtung. Damit reduzieren wir die Zeit für die gesamte Strecke auch unter sechs Stunden. Da sind dann auch ein paar Pausen für ein Rauchopfer von NC50, saure Drops vom NC60 und einem Kaffee für alle drin.
Anfangs ist die Landschaft einfach grandios. Wir folgen einem kleinen Fluss, der sich im Laufe der Jahrmillionen ein tiefes und enges Bett durch die Landschaft gegraben hat. Links und rechts des schmalen Tales erheben sich von der Erosion schroff gezackte Felsen und auf der Talsohle wachsen lichte Laubwälder. Irgendwie zauberhaft!
Im weiteren Verlauf unserer Fahrt überqueren wir insgesamt drei Wasserscheiden. Die letzte trennt die Gewässer in solche, die ins Mittelmeer und andere, wie den Guadalquivir, die in den Atlantik fließen.
Links und rechts der Straße durch die Extremadura erstrecken sich endlose Felder mit Obstbäumen. Alle paar Kilometer findet sich dann der zentrale Bauernhof in den gewaltigen Feldern mit teils riesigen Bewässerungsanlagen. Außerdem ist die Landschaft bis an den Horizont flach wie ein Spiegel und nur ganz entfernt ahnt man ein paar Hügel unter dem blauen Himmel.
Doch nach und nach kommen dann doch wieder ein paar Berge in Sicht und die Straße wird etwas kurviger und damit auch wieder interessanter.
Die vorletzte Autovia heißt „Autovia del Olivar“ und verläuft, wie der Name schon andeutet, durch ein unendlich scheinendes Anbaugebiet mit Olivenbäumen. Und obwohl ich den Anblick riesiger Olivenplantagen aus Griechenland gewöhnt bin, ist der Anblick doch irgendwie ganz anders: die Bäume stehen weiter auseinander, aber konsequent, wie mit dem Lineal gezogen, in Reih und Glied. Außerdem ist der Boden anscheinend mit Roundup von jeglichem Bewuchs befreit und die Zwischenräume werden damit noch deutlicher sichtbar.
Und auf den letzten Kilometern der Tour von Canete nach Ardales haben wir dann endlich wieder das volle Glück eines Motorradfahrers unter den Rädern: anspruchsvolle Kurven durch eine herrliche, fast schon gebirgig erscheinende Landschaft. Jetzt sind wir im Reich der Speicherseen und damit am Ziel angekommen.
Leider erwartet uns das Hotel Posada del Conde mit einer seltsamen Nachricht: morgen wird der Strom ab halb acht Uhr morgens abgeschaltet; das heißt, es gibt kein Frühstück, keine Möglichkeit, unsere Geräte zu laden, das Restaurant und auch die Bar bleiben komplett geschlossen – das ist mehr als schade, zumal nach wie vor der volle Preis verlangt wird.
Nun denn, da kann man machen nix! Keine zehn Minuten entfernt ist das El Kiosko, und dort bekommen wir ein relativ gutes Essen zu einem vernünftigen Preis. Und auch hier ist die Landschaft wie aus einer Postkarte: der See glitzert in der Sonne, die Ufer sind bis hinunter ans Wasser dicht bewachsen und auf einer schmalen Halbinsel hat sich jemand sein Traumhaus gebaut. Wie aus der Kulisse von einem romantischen Film!
Und mit diesen herrlichen Bildern und einer Flasche Wein im Kopf fallen wir heute relativ früh in unsere Betten – gute Nacht!